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Inge Auerbacher am Ohm-Gymnasium

Ein Bericht und Impressionen von Natasha Knötig, 11b
 

Frau Inge Auerbacher, Autorin des berühmten Buches „Ich bin ein Stern“ und wohnhaft in Amerika, ist eine der wenigen noch lebende jüdischen Zeitzeugen des Holocaust und war zum Zeitpunkt der Reichskristallnacht gerade mal drei Jahre alt.

Inge Auerbacher erzählt ...  

Sie hielt im Rahmen einer Deutschlandtour, unterstützt vom Forum Frauengeschichte, einen Vortrag am Erlanger Ohm-Gymnasium, über ihre Kindheit als deutsche Jüdin, die Deportation, drei Jahre im KZ Theresienstadt und den holprigen Neuanfang, nach der Befreiung ihrer Familie in den USA.
 

Anschließend bot eine Frage- und Diskussionsrunde dem Publikum, bestehend aus Schülerinnen und Schülern der elften Klassen sowie Lehrerinnen und Lehrern, die Möglichkeit, der Zeitzeugin spezifische Fragen zu ihrem Erlebten und ihren Motiven, nach Deutschland zurückzukehren, zu stellen.
 

 

Gespannt lauschende Klassen

Schwarz-weiß Foto von Inge Auerbacher mit ungefähr vier JahrenInge Auerbacher, geboren 1935, als Kind einer seit Generationen in Deutschland lebenden jüdischen Familie, war drei Jahre alt, als die Judenverfolgung mit der Reichskristallnacht begann. Obwohl sie erst drei Jahre alt war, behielt sie traumatische Bilder dieses Ereignisses, bei dem ihr Großvater und Vater - ein Invalide , im ersten Weltkrieg ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz - festgenommen wurden, und alle Scheiben ihres Hauses eingeschmissen wurden. Zwar wurden beide wieder freigelassen, doch bald darauf hatte die ganze Familie einen für alle sichtbaren Davidstern zu tragen - auch die zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre alte Inge. Inge musste eine rein jüdische Schule besuchen - die über eine Zugstunde von ihrem Wohnort entfernt lag. Jeden Morgen machte sich das kleine Mädchen alleine auf den langen Weg, auf dem sie immer wieder mit Antisemitismus konfrontiert wurde. Doch ein halbes Jahr nach ihrer Einschulung endete ihre schulische Laufbahn - 1942 mit der Deportation ihrer Familie nach Theresienstadt.
Der gelbe Judenstern, den Inge Auerbacher tragen mussteDrei Jahre lang lebte die Familie unter widrigen Bedingungen, Gewalt, Unterernährung, Verwahrlosung, Epidemien und Todesangst im Konzentrationslager Theresienstadt, von Inges siebten bis zehnten Lebensjahr. Heimlich brachten ihre Eltern ihr Lesen und Schreiben bei, und es entstanden ihre ersten Gedichte (nachzulesen in „Ich bin ein Stern“).
Obwohl sie mit ansehen musst, wie ihr gehbehinderter Vater von deutschen Aufseher gepeinigt und geschlagen wurde, und selber durch die vorherrschenden unhygienischen Verhältnisse schwer erkrankte, verlor sie nie ihren Glauben - auch nicht den Glauben an die Menschheit oder sich selbst. Wie durch ein Wunder überlebte ihre gesamte Familie die drei Jahre bis zu ihrer Befreiung durch russische Truppen am 8. Mai. 1945. Inge Auerbacher war unter dem einen Prozent der deportierten Kinder, die überlebt hatten.
Schwarz-weiß Foto von Inge im Krankenhaus, am Bett ihre Mutter zu BesuchDie Familie kehrte Deutschland den Rücken und emigrierte in die USA. Inge Auerbachers Leidensweg war jedoch noch nicht vorbei - die Jahre der Unterernährung und Unhygiene, ohne ernsthafte medizinische Versorgung hatten sie sehr schwer krank gemacht. Sie musste bis zu ihrer Heilung zwei Jahre im Krankenhaus verbringen, wo sie über Radio, Zeitschriften und Bücher Englisch lernte. Auch in diesen zwei Jahren der krankenhäuslichen Isolation dacht die junge Frau nicht ans Aufgeben. Nach ihrer Genesung schaffte sie, trotz dessen, das sie bis zu ihren 15. Lebensjahr nie wirklich eine Schule besucht hat, ihren High School Abschluss mit Bravur.
Sie arbeitete 38 Jahre als Chemikerin und schrieb seit ihrem Ruhestand mehrere Bücher, die von ihrer Kindheit, oder auch generell von der Problematik des Rassismus und der Intoleranz handeln.
 

Die SchülerInnen fragen nach ...In der anschließenden Frage- und Diskussionsrunde lagen die Schwerpunkte des Interesses unter anderem in den Gefühlen, die Inge Auerbacher gegenüber den Deutschen hatte und hat. Hier machte sie eine strikte Differenzierung zwischen den Menschen die ihr, ihrer Familie und vielen anderen Menschen Leid und Tod zugefügt haben und anderen Menschen. Dass sie nicht an eine Kollektivschuld glaubt, ist den Menschen zu verdanken, die ihr und ihrer Familie geholfen haben, ihren deutschen christlichen Freunden, die sie immer wissen ließen, dass zum Trotz der allgemein publizierten Meinung über das jüdische Volk, Inge und ihre Familie in keinster Weise Menschen von geringerem Wert sind. Dies ist einer der vielen Gründe, warum sie zurückkehren kann, nach Deutschland, um hier ihre Geschichte zu erzählen, als symbolisches Beispiel für all die Opfer des Nationalsozialismus, die nicht mehr für sich selbst sprechen können. Durch ihre Bücher, Vorträge und Reisen möchte sie Menschen auf der ganzen Welt, insbesondere die junge Generation, gegen Rassismus und Intoleranz sensibilisieren und gegen neu aufkommende Trends des Rassismus ankämpfen. Ihren Vortrag beendete sie mit der Aufforderung an alle Anwesenden, ihr gerne eine E-Mail zu schreiben, die sie nach Möglichkeit alle zu beantworten versuchen würde (www.ingeauerbacher.com).
 

Inge Auerbacher ist in meinen Augen eine bewundernswerte Persönlichkeit, die mit ihren Aktivitäten zur Prävention von Rassismus eintritt, ohne jemals, trotz aller Umstände, sich, ihren Glauben an das Gute im Menschen oder ihren Glauben an Gott aufgegeben zu haben. Ich, und mit mir all meine Mitschüler, bin dankbar für die Möglichkeit, einen so außergewöhnlichen Menschen kennen lernen zu dürfen, genauso dankbar wie für die exklusive Erfahrung mit einer jüdischen Zeitzeugin über das dritte Reich reden zu können, das meine Generation nicht mehr ganz so stark als lebendige Vergangenheit, sondern vielmehr als vergangene Geschichte, bekannt hauptsächlich durch Medien, empfindet.

Natasha Knötig, 11b

 

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