"Eine Art Verbindlichkeit, zur jüdischen Kultur zu gehören"

In Erlangen gibt es eine jüdische Gemeinde, die wohl kleinste in Bayern. Der Großteil der Gemeindemitglieder kommt heute aus der ehemaligen Sowjetunion, die anderen sind deutscher Herkunft. Unter den Mitgliedern gibt es viele verschiedene Ansichten darüber, was "Jüdisch sein" bedeutet, zum Beispiel sehen einige im Judentum eine Religion und für andere bedeutet es die Zugehörigkeit zu einem jüdischen Kulturkreis.

"Eine Art Verbindlichkeit, zur jüdischen Kultur zu gehören"Auch die Jugendlichen haben ganz unterschiedliche Ansichten über Judentum und Religion. Bei vielen spielt in der Familie die Religion keine große Rolle – trotzdem verstehen sie sich als jüdisch:

"Bei uns spielte die Religion in der Familie nie eine große Rolle, obwohl wir alle jüdischer Herkunft sind. Das ist so ein Zwiespalt, zum Beispiel meine Mutter: Einerseits geht sie nicht ständig in die Synagoge und hält die Feiertage nicht ein, aber auf der anderen Seite merke ich bei ihr eine Art Gewissheit, dass sie selber weiß, sie ist Jüdin, und das bedeutet ihr was. Aber es bedeutet für sie nicht, dass sie jetzt jeden Tag religiöse Vorschriften einhalten müsste."

Viele haben in der Schule keinen jüdischen Religionsunterricht, sondern gehen in die Ethikstunde. Dass in deutschen Schulen die christliche Religion dominiert, erfahren jüdische Kinder und Jugendliche immer wieder:

"Mein kleiner Bruder kam mal aus der Schule nach Hause, da war er acht Jahre alt, und hat zu meiner Mutter gemeint: Weißt Du, ich habe zwei Väter. – Was? Zwei Väter? – Ja, Papa und Jesus.
Meine Mutter ist da fast in Ohnmacht gefallen. Das hatte er aus der Schule! Das ist ja das Krasse, dass in Deutschland die Religion in die Schule voll eingebunden ist und man das Christentum aufgebunden bekommt. Man muss das von der ersten Klasse her lernen.
Ich finde es schon wichtig, etwas über Religionen zu erfahren, doch man muss ein 8-jähriges Kind nicht dazu erziehen, an etwas zu glauben, was es nicht versteht."

Eine nicht-jüdische Jugendliche, die in Frankreich zur Schule ging, erzählt:

"In Frankreich ist es anders: Seit 1905 sind dort Staat und Kirche getrennt, und in der Schule gibt es keinen Religionsunterricht, also nur als Wahlfach."

Was also bedeutet Jüdisch-Sein? Darauf gibt es viele Antworten ...

Effi Zelikman  aus Erlangen sprach mit den Mitarbeiterinnen von IMEDANA über jüdische Identitäten.

 

Was also bedeutet Jüdisch-Sein? Darauf gibt es viele Antworten:

"Einerseits denke ich mir, es ist völlig Wurscht, woher jemand kommt, alle Menschen sind gleich, egal welcher Religion und ob er überhaupt religiös ist.
Andererseits, wenn man sich so die Geschichte des Judentums anschaut, die es schon seit zweieinhalb Tausend Jahren gibt, und was man alles durchstehen musste, vor allem in Europa, die ganzen Pogrome im Mittelalter und wie das dann im Nationalsozialismus seinen Höhepunkt hatte, dann ist es vielleicht so eine Art Gefühl der Verbindlichkeit, dass man sich überlegt, ja, man gehört zu dieser Kultur, die sehr viel durchmachen musste, die aber immer noch nicht ausgelöscht ist, obwohl man versucht hat, sie auszulöschen."

 

Erlangen
am 25.06.09


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